Sonntag, 6. Oktober 2013

Roman: Joe Hill - Christmasland


Charlie Talent Manx fährt einen magischen 1938er-Rolls Royce mit dem Kennzeichen NOS4A2. Das Auto ist ihm eine große Hilfe dabei, Kinder zu entführen und diese ins Christmasland zu verschleppen, einem Ort, an dem Kinder auf ewig Kind sein können – zum Preis ihrer unschuldigen Seele. Bilderbuchautorin Victoria McQueen ist die einzige, die ihn aufhalten kann.

Der neueste Joe Hill-Roman „Christmasland“ wird Fans des Autors uneingeschränkt gefallen, kommt er doch mit allen üblichen Stärken (und Schwächen) daher. Das erste Drittel ist mal wieder der eigentliche Höhepunkt, denn die Einführung der Grundsituation und Charaktere ist sehr fantasievoll und hilft dem Leser schnell dabei, sich sämtliche Vorgänge zu Herzen zu nehmen. Rasch stellt sich wieder das typische Joe Hill-Feeling ein, bestehend aus fiesen Gefahren und unheimlich sympathischen, aber trotzdem echt wirkenden Figuren. Diese Authentizität gelingt vor allem durch die vielen Eigenheiten, die den Figuren mitgegeben werden. Die Charaktere sind wie immer das große Plus, kaum ein Autor charakterisiert seine Figuren so effektiv.

Auch die Handlung weiß zu begeistern. Besonders der Beginn überrascht durch einen intelligenten Umgang mit erzählter Zeit und Erzählzeit. Ich liebe Joe Hill dafür, dass er nicht bloß reine Horrorromane schreibt, sondern auch (in der Realität verortete) fantastische Elemente einbringt. Solch ein Element gibt es auch bei Christmasland und zieht sich durch die gesamte Handlung. Dies hebt den Roman deutlich von anderen Büchern gleichen Genres ab. Von Hills Romanen gleicht Christmasland dadurch noch am ehesten seiner genialen Comicreihe Locke & Key.
Zum Schluss hin wird die Handlung wie immer etwas actionreicher und auch linearer, Offenbarungen und Reprisen findet man leider nicht. Das ist zwar schade, da gerade der Beginn mit seinen vielen Charakteren, Orten und Erzählzeiten begeistert, dafür gewinnt der Plot zum Ende hin aber unheimlich an Fahrt und Spannung. Die letzten Seiten fliegen geradezu davon.

Auch Christmasland zeichnet sich durch den typischen Joe Hill-Schreibstil aus – und er wird immer besser! Bereits mit den ersten Seiten kommt das nur schwer zu beschreibende Feeling seiner Werke auf. Am ehesten ist sein Stil wohl zu bezeichnen als „Horror mit dem Herz am rechten Fleck“. Hills Wortwahl ist wie immer äußert präzise, Stimmungen und sogar ganze Welten werden durch nur wenige, aber umso effektivere Vokabeln beschrieben. Fremdwörter sind zwar vorhanden, wirken aber nie wie beabsichtigt ausgewählt, sondern gliedern sich perfekt in die flüssige Sprache ein.
Da ich mich nie bei Horrorromanen gruseln kann (dabei habe ich schon sehr viele gelesen), kann ich nicht hundertprozentig in Ausblick stellen, ob man sich auch bei Christmasland erschrecken wird. Zumindest führt Joe Hill zum ersten Mal eine sehr dynamische Sprache ein, die den zeitlichen Ablauf etwaiger Gruselstellen sehr detailliert beschreibt. Meines Empfindens nach ist Christmasland daher gruseliger als seine anderen Bücher.

Joe Hill enttäuscht auch mit dem neuesten Buch mal wieder nicht, stattdessen steht Christmasland auf einer Stufe mit seinen anderen Romanen. Die Genialität von Locke & Key scheint bereits durch, faltet sich aber nie komplett aus. Man kann also gespannt darauf sein, was uns als nächstes erwartet. Fans von Horrorbüchern der Marke Stephen King, Peter Straub oder Neil Gaiman sollten unbedingt zuschlagen – es lohnt sich!

9.0/10

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