Montag, 30. September 2013

Roman: Wally Lamb – Die Musik der Wale


Der Roman schildert das Leben des jungen Mädchens Dolores mit all seinen schweren Prüfungen. Ihr Vater ist ein Ehebrecher, die Mutter erleidet eine Abtreibung und wird darauf in die psychiatrische Anstalt eingewiesen. Mit diesen Ereignissen beginnt aber erst der lange Weg von Hauptfigur Dolores.

Bücher wie „Die Musik der Wale“ gibt es zuhauf. Manche nennen diese Leidensgeschichten, noch ohne sie überhaupt gelesen zu haben, „große Literatur“, mit gefällt der Begriff „Schicksalsbiografie“ dagegen besser. Im Stile von Charles Dickens, Khaled Hosseini, Willy Russell & Co breitet auch Wally Lamb die (tragische) Biografie einer fiktiven Figur aus.
Der Schlüssel zum Erfolg bei dieser Art von Roman liegt meiner Ansicht nach in den Charakteren. Nicht nur der Protagonist muss dem Leser durch seine Beobachtungen, Eigenheiten und Erlebnisse ans Herz wachsen, sondern auch die Figuren, die ihm auf dem Weg begegnen. Als Beispiel sei bloß Charles Dickens erwähnt: Die meisten Leser werden sich sicher noch besser an Mr. Micabwer und Uriah Heep erinnern als an David Copperfield selbst.
Das größte Problem an den Nebenfiguren aus „Die Musik der Wale“ ist aber, dass diese selten auftauchen und schnell wieder verschwinden. Dolores begegnet in ihren einzelnen Lebensabschnitten vielen Menschen, diese sind aber immer nur sporadische Begleiter.  Dafür ist die Charakterzeichnung durchaus gelungen, wenn auch ein anderes Ergebnis erreicht werden möchte als in verträumteren Büchern. Wally Lambs Figuren kommen nämlich reichlich unsympathisch und dafür umso authentischer daher. Diesem Stile folgend gibt es kaum herzerweichende Momente.
Ausgerechnet Hauptfigur Dolores ist eine der unliebsamsten Figuren. Zwar hat sie im Verlauf der Handlung viel zu leiden und einige Konflikte auszustehen, jedoch möchte sich nie eine innige Beziehung zu ihr einstellen. Denn Dolores ist teilweise richtig fies zu ihren Mitmenschen und lügt sich durch die Welt.
Ich möchte die gewagte These aufstellen, dass weibliche Leser Dolores jedoch gern haben werden. Denn diese werden ihr sicherlich nachsehen, wenn sie willkürlich und gemein handelt, da die Welt ihr gegenüber schließlich ziemlich fies ist. Diese Nachsicht erwartet der Autor von allen Lesern; Zumindest mir geht es aber so, dass ich Dolores eben nicht alles nachsehen kann. Wenn Person A und Situation B schlecht zu mir sind, warum sollte ich dann böse auf Person C sein? Es handelt sich generell um ein Buch für eine weibliche Zielgruppe, geht es doch um Themen wie Fettleibigkeit, Abtreibung, Mobbing, Vergewaltigung und Ehebruch.
Im geradlinigen Plot gibt es keine Reprisen oder überraschenden Wendungen der Marke: „Ach deswegen hat Person F vor 20 Jahren so gehandelt. Hätte ich das gewusst!“ Sprachlich bewegt sich Wally Lamb auf einem durchschnittlichen Niveau, dabei sollte solch ein Roman auf dieser Ebene eigentlich mehr bieten. 

Dolores wirkt zwar wenig sympathisch, dafür aber unglaublich real. Dies ist dann auch der größte Verdient des Romans. Wer Lust auf eine moderne Schicksalsbiografie ohne rührende, dafür aber mit umso authentischeren Momenten hat, sollte mal einen Blick hineinwerfen. Für Freunde von rührender und literarischer Kost der Marke Dickens ist „Die Musik der Wale“ dagegen nicht zu empfehlen.

6.0/10

Montag, 23. September 2013

TV: Party Down


In „Party Down“ dreht sich alles um eine Firma, die kleinere Veranstaltungen organisiert. Deren Angestellte betrachten ihren Job jedoch nur als trostlose Gehaltsmaschine, wollen sie doch alle im Entertainment-Business von Los Angeles Fuß fassen.

Jede Episode folgt dem gleichen Prinzip: Die Figuren befinden sich am Arbeitsplatz auf der Party und der Zuschauer begleitet ihren Arbeitsalltag inklusive Vor- und Nachbereitung, aber immer am Veranstaltungsort. Während der Arbeit unterhalten sich die Mitarbeiter (in meist gleichen Konstellationen) miteinander und es kommt zusätzlich zur Interaktion mit den Gästen. – Der Motor dieser Comedy-Serie ist äußerst simpel.
Die Partys sind halbwegs kurios, so organisiert die Firma etwa eine After-Party für eine Porno-Award-Show, eine Singlebörse inklusive Sex-Seminar für Senioren oder ein Clubtreffen für junge US-Konservative. Leider generiert das Drehbuch nur sehr wenig Witz aus dem Konzept, stattdessen ist der Humor unglaublich trocken.
Die gesamte Serie durchzieht eine verschlafene und dröge Stimmung. So werden etwa die Partys von den Figuren immer als wertlos dargestellt. Keiner der Mitarbeiter hat echtes Interesse an seinem Job, stattdessen kommentieren sie die Situationen sarkastisch und sprechen enttäuscht von ihrem großen Traum. Untereinander sind die Mitarbeiter nicht viel freundlicher, die Stimmung ist noch geknickter als Charlie Browns „Depressionshaltung“ mit den hängenden Schultern.
Wie schon bei The Office stellt sich auch bei dieser Arbeitsplatzkomödie die eingeschränkte Kulisse als großes Hindernis heraus. Dadurch entsteht nicht nur Monotonie bei den Mitarbeitern, sondern auch beim Zuschauer. Noch dazu betrachten wir die Figuren immer bei den gleichen Tätigkeiten: An der Bar, beim Snacks verteilen oder beim leichten Disput in der Küche.
Die wenigen Pointen in den Dialogen werden durch die ständigen „fuck“- und „fucking“-Ausdrücke gänzlich eliminiert, als seien diese ein adäquater Ersatz für Humor. Die Schauspieler verstehen sowieso wenig von humorvollem Vortrag und Timing, stattdessen gehen sie in der Tristesse ihrer Charaktere auf. Wenn überhaupt Lacher entstehen, dann durch peinliche Missgeschicke. Die Gag-Dichte ist somit eher gering, auch wenn man einige Male pro Episode lachen kann.

Als Liebhaber von leichtherzigen und mitfühlenden Komödien ist Party Down leider nichts für mich. Freunde von The Office und anderen Comedy-Serien mit eigentlich unangenehmen Umgebungen sollten aber mal einen Blick riskieren.

4.5/10

Freitag, 20. September 2013

TV: Under The Dome (Staffel 1)


Plot: Die US-Kleinstadt Chester’s Mill wird von einer riesigen unsichtbaren Kuppel eingeschlossen, der Kontakt mit der Außenwelt ist nicht mehr möglich. Die Bewohner kämpfen aber nicht nur gegen die chaotische Situation an, sondern auch gegeneinander.

Was habe ich mich auf diese Serie gefreut! Ich bin ein enormer Fan von Stephen King. Hat er in den 90er-Jahren arg geschwächelt, schreibt er seit Mitte der 2000er wieder einen Top-Roman nach dem anderen. Eine seiner besten Geschichten („Die Arena“) bildet die Basis für die Serie. Meine Begeisterung schoss noch weiter in die Höhe, als ich erfuhr, dass Brian K. Vaughan für die Umsetzung verantwortlich sein wird. Vaughan zählt zu meinen Lieblings-Comic-Schriftstellern, stammen von ihm doch geniale Reihen wie Y: The Last Man, Runaways oder Ex Machina. Außerdem wirkte er an den Drehbüchern der großartigen dritten und vierten Staffel von Lost mit.
Abgerundet werden die perfekten Grundvoraussetzungen durch Steven Spielberg und Stephen King als Executive Producer, einem großen Budget und dem aus Breaking Bad bekannten Schauspieler Dean Norris. Leider schafft es Under The Dome nie, etwas aus dem großartigen Bodensatz zu machen.

Vaughan hat sich nicht auf der guten Vorlage ausgeruht, sondern strickt seine eigene Geschichte. Gemeinsamkeiten mit dem Roman sind nur durch die Ausgangssituation und einige Charaktere gegeben. Dies ist auch der Grund, warum zum Start viele Fans die Serie kleinredeten, weshalb Stephen King sich sogar in einem offenen Brief dazu bewegen ließ, die Fernsehumsetzung zu verteidigen. Mir persönlich ist es egal, ob die Serie stark vom Buch abweicht, solange sie funktioniert.
Doch das tut sie leider nicht. Eine Mystery-Serie zeichnet sich für mich durch eine spannende Handlung und ein durchdachtes Erzählmodell aus. Spannend ist der Plot aber leider nur bedingt, weil zwar sehr viele Probleme auftauchen, diese aber auch genauso schnell wieder gelöst werden; meist sogar noch in der gleichen Folge. (Maxines Mutter, schwierige Wasserversorgung, Plündereien) Das ist schade, denn zwar ist Abwechslung durch die schnelle Aufreihung von Konflikten gegeben, es wird aus den Konflikten aber nicht das Maximum herausgeholt. Durch das schnelle Lösen eins jeden Problems wirken die einzelnen Episoden zu abgeschlossen. Generell hat man den Eindruck, dass die Autoren getrennt voneinander gearbeitet haben, denn es werden viele begonnene Handlungsstränge nicht oder nur unzureichend weitergeknüpft.
Mit einem durchdachten Erzählmodell meine ich die in Mystery-Serien übliche Erzählweise, dass man nach und nach durch Rückblicke mehr über die Charaktere erfährt, sich einige Geschehnisse überlagern und schon früh Andeutungen auf die Zukunft gemacht werden. Dies hat Under The Dome aber alles nicht, die Erzählung ist stattdessen streng linear.
Rückblicke würden sich auch gar nicht anbieten, weil kaum eine Figur eine Hintergrundgeschichte hat. Sowieso sind die Charaktere überraschend flach und klischeehaft. Ein weiteres Problem an den Figuren ist, dass es nicht genügend gibt. Die Romanvorlage befasst sich mit einer riesigen Anzahl von Menschen und weiß ihre Schicksale geschickt miteinander zu verweben, bei Under The Dome ist die Auswahl der Aktanten jedoch viel kleiner. Noch dazu sind gleich vier Schlüsselcharaktere noch im Schulalter, weshalb eine spannende Back-Story sowieso hinfällig ist.
Vor allem die jungen Figuren fallen dem Zuschauer sehr schnell auf die Nerven, was nicht nur an den teilweise platten Dialogen und konfusen Handlungen liegt, sondern an den fast durchweg drittklassigen Schauspielern. Das ganze Ensemble ist sehr glatt gecastet, niemand ist als Charakterdarsteller zu bezeichnen. Selbst Dean Norris beißt sich eher schlecht als recht in der immer gleichen Art durch seine Zeilen.

Zu Beginn war Under The Dome noch als abgeschlossene Miniserie von nur 13 Episoden angelegt, nach den tollen Quoten wurde sie aber schnell um eine zweite Staffel verlängert. Dies merkt man leider deutlich, schleichen sich doch immer mehr übernatürliche Elemente ein. Durch die seltsamen Produktionsbedingungen erhält man eine Serie, die eigentlich geschrieben ist wie eine Fall-Season-Show (24 Episoden), aber nur mit 13 Folgen aufwarten kann und daher sehr gehetzt daherkommt. Die erste Hälfte der Staffel hat mir besser gefallen.
Man darf mich nicht falsch verstehen: Under The Dome ist definitiv keine schlechte Serie, so sind etwa die visuellen Effekte für eine Fernsehproduktion herausragend, die Konflikte sind zahl- und abwechslungsreich und die Ausgangssituation ist unglaublich spannend. Es ist nur schade, zu sehen, dass daraus mit ein wenig mehr Überlegung wirklich die TV-Sensation hätte werden können, als die sie vermarktet wurde.

6.0/10

Sonntag, 15. September 2013

Roman: Tommy Jaud - Hummeldumm


Der Irgendwas-mit-Technik-Jobber Matze macht mit seiner Freundin eine zweiwöchige Gruppenreise durch Namibia. Die anderen Mitfahrer gehen ihm dabei gewaltig auf die Nerven. Außerdem hat Matze nirgends guten Handyempfang und er hat seinen Steckdosenadapter vergessen. – Das ist leider schon der gesamte Plot.

Mein Verhältnis zu Tommy Jaud ist seltsam. Obwohl ich kein Fan von ihm bin, habe ich alle seine Bücher gelesen, da ich mich im popkulturellen Geschehen auch innerdeutsch auf dem Laufenden halten möchte. Jauds Werk hat bei mir die Wertung „5.0 – okay“ gepachtet, seine Romane sind alles andere als gut, aber auch nicht unterirdisch. Dementsprechend verwundert war ich über Denis Schecks Verriss des neuesten Buches „Hummeldumm“. Eins vorweg: Herr Scheck behält Recht.

Das größte Problem an Hummeldumm ist die magere Handlung, die mit unnötigen Konflikten aufgeladen ist. Hauptfigur Matze etwa ist einfach zu dumm und zu stolz, seiner Freundin ins Gesicht zu sagen „Es gibt ein Problem mit der Wohnung, um die ich mich kümmern wollte“. Deshalb versucht er heimlich zu telefonieren, sein Handy ohne Adapter aufzuladen und überhaupt erst einmal Funk zu bekommen. Jaud beschenkt uns hier mit einem der banalsten Figurenziele der Literaturgeschichte.
Die Hauptfigur Matze handelt, spricht und schreibt wie ein ignorantes Arschloch, sachter kann man es nicht formulieren. Das in Hummeldumm zu findende Weltbild ist derart konservativ, ignorant und herablassend, dass einem mit jeder Zeile die Schläfe pocht. Nehmen wir etwa die Rollenverteilung: Laut Matze habe sich die Frau um alles zu kümmern, auch um den Urlaub. Umso unverständlicher ist es dann, dass er seine Freundin derartig ankeift wegen der gebuchten Gruppenreise, noch dazu erst am Zielort. Wenn Matze sich dann später sogar beschwert, er sei zu fett wegen seiner Freundin (!), weil sie nicht auf seine (!!) Ernährung achte, hört alles auf.

Der selbstbetitelte „Comedy-Roman“ versucht Witze meist dadurch zu erzeugen, dass Matze im Geiste seine Mitreisenden niederredet. So liest man etwa von (O-Ton!) „Kevin, dem Müsliriegel-Ossi“ oder „Gruberin, dem alten Rosinengesicht“. (Jaud scheint eine Vorliebe für die erste Mahlzeit des Tages zu haben) Eine andere beliebte Methode sind absurde Vergleiche, die in einem Rap-Song besser aufgehoben wären, zum Beispiel „wie ein Zyklop im 3D-Kino“.
Ab und an musste ich pikiert lachen, wobei dies bei so vielen Witzchen kein Kunststück ist. Denn pro Seite schlagen einem mindestens drei verkrampfte Witzchen entgegen, der Roman hat aber 300 Seiten – dass man dann an nur fünf Stellen tatsächlich lachen muss, halte ich deshalb eher für armselig. Pikiert lacht man übrigens deshalb, weil man sich für das bodenlose Niveau schämt, etwa wenn die Hauptfigur aus Bosheit in ein fremdes Zelt kackt.

Ich sage es immer wieder: Eine Komödie soll Spaß machen, und positive Gefühle spürt man am leichtesten, wenn man diese auch vorgeführt bekommt. Genauso wenig wie man über einen Folterfilm lacht, wird man daher bei Hummeldumm schmunzeln, denn die Figuren giften sich permanent an. Permanent! Matze hasst alle seine Mitreisenden und redet sie nieder, geschildert werden nur Gehässigkeiten und Lästereien, Intrigen und Wutanfälle. Wie soll man darüber bitte lachen? Muss einem nach solch einer langen Karriere im Business immer noch erklärt werden, wie Humor überhaupt funktioniert?

Hummeldumm ist ein „Roman“ für den deutschen Meckerfritzen: Voller Neid, Überheblichkeiten, Rechthabereien, Schuldzuweisungen, Vorurteilen, Betrügereien und Lügen. Wer beim sonntäglichen Kaffeetrinken über Anke Engelkes Sketche brüllt und von Mario Barth wie von einem Gott spricht, der wird vielleicht auch mit Hummeldumm seine Freude haben. Für mich zumindest war es das letzte Buch von Tommy Jaud.

1.5/10

Freitag, 13. September 2013

Film: Alexandre Ajas Maniac (Uncut)


Anders als der deutsche Titel vermuten lässt, ist der Streifen nicht von Alexandre Aja gedreht, dieser hat ihn lediglich produziert und das Drehbuch geschrieben. Mit dem Draufklatschen seines Namens pushte er stattdessen die Regiearbeit seines Landsmannes Franck Khalfoun.
Trotzdem könnte man vermuten, dass es sich um einen Aja-Film handelt, sieht Maniac doch aus wie der typische französische Horrorstreifen: Die Umgebung ist eine kalte, urbane Moderne, die Kamera zeichnet sich durch lange Einstellungen, Gewackel und dem rigorosen Draufhalten bei extrem derben Gewaltszenen aus und es wird versucht, mit möglichst wenigen digitalen Effekten auszukommen.
Der Clou ist die Ich-Perspektive, denn der gesamte Film ist aus der Sicht des Serienkillers Frank (Elijah Wood) gedreht. Der Kniff an dieser tollen Idee ist, dass man sich immer vorstellt, wie die Situation wohl aus der anderen Seite aussieht. Noch dazu ist es ein viel heftigeres Erleben von Gewalt, wenn man wortwörtlich mittendrin ist statt nur dabei.
Die ersten Minuten vor der Titelanzeige haben mich deshalb geschockt wie gleichermaßen gegruselt. Doch dieser perspektivische Effekt nutzte sich schnell ab und nervte bald nur noch. Der Kamerastil erinnerte mich insgesamt stark an einen meiner persönlichen Hassfilme, dem französischen „Irreversible“.

Obwohl Maniac nicht einmal 90 Minuten andauert, fühlt es sich weit länger an, denn sämtliche brachliegende Stellen zwischen den Morden werden nur schlecht aufgefüllt. Das Drehbuch mit seiner langweiligen und mageren Handlung ist deshalb auch die größte Schwäche. Noch dazu klingen viele Dialoge wie aus dem Französischen ins Englische übersetzt. 
Die wichtigste Frage lautet aber: Ist Maniac gruselig? Das ist mit einem eingeschränkten Ja zu beantworten. Denn der komplett ohne Scare Jumps auskommende Streifen löst permanent ein Gefühl von Unbehagen und Beklemmung aus, kann dies aber nie ganz auf die Spitze treiben. Selbst in den heftigen und brutalen Gewaltszenen beginnt das Herz nicht zu rasen. Das liegt wohl auch daran, dass die Gewalt zwar rein optisch extrem hart ist, dafür aber die akustische Seite vernachlässigt wird. Denn (gnädigerweise) hört man hier nicht die Opfer wie am Spieß schreien.  (Ich habe die Uncut-Variante gesehen, darauf sollte man auch unbedingt achten. Wie am Schnittbericht ersichtlich wird, fehlen in der gekürzten Variante sämtliche Szenen, die den Film auszeichnen.)

Unverständlich ist für mich das viele Lob, das Elijah Wood für seine Darbietung einheimst. Zum einen sieht man sein Gesicht nur in zwei bis drei Szenen, also kann man sowieso nur die akustische Leistung bewerten. (Wodurch eine Bewertung noch absurder wird, weil die meisten sicherlich die deutsche synchronisierte Fassung gesehen haben werden.) Woods immergleiche kalte Sprechweise nervt somit genauso schnell wie die Perspektive, noch dazu klingen einige Szenen stark nach schlechtem Voice-Over. Das Lächerliche an seiner kalten Intonation tritt dann zutage, wenn er sich mit anderen Menschen ganz gewöhnlich unterhält und die Reaktionen des Gegenübers partout nicht zu seiner Stimmlage passen. Dennoch gibt es einige wenige Szenen (witzigerweise immer diejenigen, in denen man sein Gesicht sieht), in denen er sein wahres Schauspieltalent zeigen darf.
Vor allem die weibliche Hauptrolle spielt total daneben, gut zu sehen ist das in Momenten, in denen sie sich verabschiedet, Frank aber noch etwas hinterherruft und sie darauf reagiert. Ihre Abgänge und Erwiderungen sehen dabei nicht nur steif aus, sondern klingen auch einstudiert.

Durch die eindringliche Perspektive und die finstere Machart bleibt Maniac im Langzeitgedächtnis hängen und man könnte meinen, man hätte es mit einem echten Schocker zu tun. Dieser Eindruck trügt aber, da man sich im Moment des Ansehens über weite Strecken langweilen wird. Maniac ist damit nicht unterhaltsam, aber einprägsam.

5.0/10

Mittwoch, 11. September 2013

Roman: Walter Moers – Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär


„Ein Blaubär hat siebenundzwanzig Leben. Dreizehneinhalb davon werde ich in diesem Buch preisgeben, über die anderen werde ich schweigen. Ein Bär muss seine dunklen Seiten haben, das macht ihn attraktiv und mysteriös.“

Der erste Roman von Moers’ großartiger Zamonien-Reihe hat weniger mit dem Fischstäbchenliebhaber aus der Sendung mit der Maus gemein, als man zunächst annehmen könnte. Es handelt sich um eine völlig eigenständige, biografische Ich-Erzählung eines blauen Bären.
Das Besondere an diesem Roman ist der unendliche Fantasiereichtum. Moers kreiert eine riesige, in sich schlüssige Welt voller Verrücktheiten: Es gibt Dimensionslöcher, Lügengladiatoren, Traumorgeln, Zeit-Wirbelstürme und tausend andere aberwitzige Dinge. Die Figuren sind ähnlich kurios, so etwa ein Flugsaurier, der Personen in letzter Sekunde rettet und passenderweise Deus X. Machina heißt.
Der blaue Bär erlebt auf seiner Reise zahlreiche Abenteuer, Stillstand kehrt niemals ein. Es ist der große Verdienst dieses Romans, eine Achterbahn der Fantasie zu erschaffen. Wie bei Moers üblich ist dabei alles miteinander verknüpft, das Lesen wird also von Seite zu Seite spannender. Denn es stellen sich zahlreiche Dinge aus vorherigen Abschnitten, die man als vermeintliche Details abtat, als plötzlich bedeutsam heraus.
Obwohl das Buch in Zamonien spielt, hat die Welt wenig gemein mit dem Zamonien aus „Rumo“ und „Die Stadt der träumenden Bücher“. Denn hier ist die ganze Umgebung noch etwas verträumter und weniger düster. Bei Käpt’n Blaubär handelt es sich somit um den freundlichsten Zamonien-Roman.
Auch sprachlich gelingt es Moers auf ganze Linie, seine Leser zu packen. Seine Sprache kommt ohne hochstechende Wörter aus, und gerade das macht es so faszinierend. Uns offenbart sich ein unheimlich kreativer und humorvoller Umgang mit dem allgemeinen Wortschatz. Die zahlreichen actiongeladenen Vorgänge werden ebenso prächtig geschildert. Dazu finden sich noch zahlreiche Zeichnungen vom Autoren persönlich, die das Geschehen passend untermalen.
Käpt’n Blaubärs fantastisches Abenteuer schrammt nur deshalb an der Höchstwertung vorbei, weil Charaktere und Gefühle noch nicht so herausragend sind wie bei späteren Zamonien-Büchern, das gleiche gilt für Plot-Twists. Dennoch ist dieser Roman ein wunderbares Stück Literatur, das man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte!


9.0/10

Dienstag, 10. September 2013

TV: Wilfred U.S.


Am Morgen nach Ryans gescheitertem Selbstmordversuch klopft seine Nachbarin und heimliche Flamme Jenna an der Tür. Er soll für sie auf ihren Hund Wilfred aufpassen. Ryan ist verwirrt: Für ihn sieht Wilfred aus wie ein Mann im Hundekostüm. Doch er ist der einzige, der Wilfred auf diese Weise sieht und mit ihm sprechen kann.

Bei „Wilfred“ handelt es sich um eine echte Ausnahmeserie. Die Themen sind zumeist düster, so geht es unter anderem um Selbstmord, Wahnsinn, Drogenmissbrauch und Einsamkeit. Das macht das Format aber auch so herausragend, denn diese Probleme werden leichtfüßig angepackt, sodass man trotzdem beherzt lachen kann.
Der Humor ist an einigen Stellen schwarz, doch gibt es durch die Figur des Ryan immer wieder starke Schübe von Mitgefühl, weil er einem so nah erscheint. Dadurch wächst er einem schnell enorm ans Herz.
Durch die immer auf dem richtigen Grad wandernde Melancholie erreicht mich „Wilfred“ wie kaum eine andere Serie.

Der durchtriebene und egoistische Wilfred ist das genaue Gegenteil von Ryan. Die meiste Zeit treibt Wilfred mit seinem Freizeitherrchen Psychospielchen zur eigenen Belustigung oder aus unwichtigen Motiven. Dabei schreckt der kiffende Hund auch nicht vor Mord zurück. Durch ihn entstehen die verrücktesten Komplikationen, doch man hat nie das Gefühl, dass Wilfred von Grund auf böse sei. Denn durch sein Benehmen hilft er Ryan häufig sogar, seine emotionalen Probleme zu überwinden.
Es ist immer wieder überraschend und gleichzeitig erhellend, wie die zahlreichen Hundeeigenschaften auf Wilfred abgebildet werden. Der Pool ist scheinbar unerschöpflich: Hunde graben im Garten, sterben beim Verzehr von Schokolade, können gut riechen, hassen Katzen,… All diese Merkmale werden wunderbar fantasievoll verbildlicht.
Ein Beispiel: Wilfred ist depressiv und betrinkt sich deshalb vor Frust aus der Kloschüssel. Dabei taucht er immer wieder einen Bierkrug ins Klo, prustet Ryan zu und lallt Verschwörungstheorien über das Postamt.
Das Ganze lebt vom perfekt gespielten und geschriebenen Wilfred, der wie ein echter Hund unzählige Persönlichkeiten in sich vereint: Draufgänger, Beschützer, Macho, Psychopath, Feigling und noch viel mehr. Selbst sprachlich fällt Wilfred wunderbar auf; Mit einem australischen Akzent flucht er sich durch die gesamte Palette an Emotionen.

Nicht nur die Figur des Wilfred zeigt sich durchdacht, sondern auch die Gesamthandlung. Häufig schließen sich Ereignisse aus mehreren Folgen zu einer großen Veränderung zusammen. „Wilfred“ wirkt somit wie aus einem Guss.
Einziges Manko sind die vielen verstreuten Geheimnisse. Denn der Zuschauer erfährt nie, wer Wilfred wirklich ist und was es mit ihm auf sich hat. Zwar gibt es immer wieder Hinweise, diese führen aber ähnlich wie bei Lost nur zu noch größeren Rätseln. Dies macht die Serie zwar ungemein spannend, man bleibt aber auch immer etwas enttäuscht zurück. Und verlangt sofort nach mehr.

Jede Staffel umfasst leider nur schmale 13 Episoden, vergangene Woche flimmerte das Finale von Staffel 3 über die Bildschirme. Wieder ein Grund mehr, schon jetzt den nächsten Sommer herbeizusehnen.


10.0/10

Freitag, 6. September 2013

Film: Ey Mann – Wo is’ mein Auto?


„Ey Mann – Wo is’ mein Auto?“ ist eine amüsante Reise zurück in eine Zeit, als die Welt noch ein bisschen besser war: Die richtig coolen Bands erkannte man an der Zahl im Namen, Britney Spears flanierte gemeinsam mit Justin Timberlake im Ganzkörper-Jeans-Look über den roten Teppich, Pierce Brosnan war ein arschcooler James Bond und ein 800MHz-Computer galt als Höllenmaschine.
Der Film entstammt einer Ära, in der ein weit blödeliger Humor vorherrschte als heutzutage. Zwar gibt es auch jetzt noch debile Komik im Kino, damals waren die Blödsinns-Komödien aber meist ehrlicher und damit auch lustiger. Dies trifft auch auf „Ey Mann“ zu, es gibt einiges zu lachen und zu sehen: Schutzanzüge aus Luftpolsterfolie, Jurrassic-Park-Parodien mit Straußenvögeln, nymphomanische Aliens und so weiter.
Die nur lose miteinander verbundenen Szenen sind herrlich doof, sodass man den beiden Hauptfiguren gerne bei ihrer Dummheit zusieht. Kutcher und Scott verleihen dem Ganzen eine positive Stimmung, ohne jemals auf die Nerven zu fallen. Man könnte es durchaus als Teenie-Version von „Dumm und Dümmer“ bezeichnen. Umso erfreulicher ist die Unverbrauchtheit des ganzen Plots – es geht nur darum, wo das verdammte Auto ist! Übliche Klischees, etwa ein mit Spinden gepflasterter Gang in der High School, auf dem sich Cheerleader, Quarterbacks und Loser begegnen, werden genauso ausgelassen wie allzu offensichtliche Slapstick-Späße.
Nur schwärmen kann ich von dem Soundtrack, der so typisch für die Komödien dieser Periode ist: Punk-Bands und coole 90s-Hip-Hop-Sounds verhelfen genauso der Sogwirkung wie die schnelle Szenenabfolge. Spätestens als Zebraheads „Playmate of the Year“ angespielt wurde, hatte mich der Film!
Mit einer „echten“ Story und besseren Charakteren hätte „Ey Mann – Wo is’ mein Auto?“ sogar noch eine höhere Wertung einfahren können, somit bleibt American Pie aber meine liebste Anno-2000-Komödie. Nostalgie spielt in meine Wertung natürlich hinein, doch die gefühlte Zeitreise ist ein großes Verdienst des Millenium-Hangovers. Einmal zurück bitte!


7.5/10

Donnerstag, 5. September 2013

Roman: Elia Barceló – Das Rätsel der Masken


In Barcelós erstem realistischem Roman geht es um den toten argentinischen Schriftsteller Raúl de la Torre und dessen noch lebende Bekannte. Der deutsche Literaturwissenschaftler Ariel Lenormand möchte eine Biografie über den von ihm verehrten Schriftsteller verfassen und reist dazu nach Paris, wo er Raúls Ex-Frau sowie seinen (schwulen) besten Freund interviewt. Dabei entdeckt Ari, dass es rund um Raúls Leben einige ungeklärte Vorfälle gibt.

Das Rätsel der Masken ist ein exzellenter Sozialkrimi, dessen Seiten vor dem Leser wie im Flug dahinwehen. Jede Figur weiß etwas anderes über Raúl, interessant ist daran aber, dass sie alle diese Geheimnisse für sich bewahren. Die Gründe dafür sind unterschiedlich, aber stets plausibel.
Aufgrund dieser spannenden Konstellation entwickelt sich eine Dynamik wie in einer Shakespeare-Komödie: Nur der Leser kennt sämtliche Handlungsfäden. Und wie bei Shakespeares Werken macht es auch hier einen Riesenspaß, dabei zuzusehen, wie die Figuren langsam alle Geheimnisse entschlüsseln und sich das Puzzle nach und nach zusammensetzt.
Das klischeehafte Bild der Bohème wird von der Autorin aufgegriffen, ohne jemals einfallslos zu wirken. Die intellektuellen Figuren dieses Romans, allesamt Schriftsteller, Verleger, Jazz-Musiker oder Wissenschafter, führen nämlich keine ermüdenden Gespräche über den Sinn des Lebens, Politik oder ähnliches. Stattdessen darf man sich auf hervorragende Charaktere freuen, die sich innerhalb der romantischen Kulisse von Rom und Paris bewegen.
Aufgrund Barcelós spanischer Herkunft erwartete ich eine verträumte, schwebend-schillernde Sprache wie von Carlos Ruiz Zafón oder Jaume Cabré gewohnt. Damit kann Barceló nicht aufwarten, ihr Stil ist dafür klar, ohne schablonenhaft zu wirken. Die Relativität dieser Aussage sollte dringend unterstrichen werden, da sie weit besser schreibt als andere Autoren. Eine Metaphernwucht wie bei Zafón hätte auch nicht zu der Handlung gepasst, denn Barcelós Plot erdrückt einen vor lauter Aufregung. Ihre Sprache reißt einen nämlich umso mehr in das Geschehen hinein.

Das Rätsel der Masken ist Freunden von Zafóns Der Schatten des Windes dringend ans Herz gelegt: Es entfaltet sich eine spannende Aufklärungsjagd nach romantischen Geheimnissen vor der Kulisse nostalgischer europäischer Metropolen. Tolles Buch!


9.0/10

Mittwoch, 4. September 2013

Willkommen bei Medienspritze!

Die Meinung eines Menschen bietet für mich regelmäßig Stoff zur Faszination. Es ist schlicht beeindruckend, dass jeder Mensch einen anderen Geschmack hat. Ist es anerzogen? Angeboren? Nichts von alldem? Der eine mag Jazz-Musik, der andere steht auf knallige Gitarren; der eine liebt Actionfilme, der andere glorifiziert Musicals; wieder ein anderer mag Bulimie, deine Mutter steht auf Essen. Die einen stehen auf Deine-Mutter-Witze, die anderen mögen nur gute Witze.
Wenn es etwas gibt, nachdem ich süchtig bin, dann sind es Geschichten: Ich verschlinge Bücher, schaue Fernsehserien in Marathonsitzungen, lese Comics bis zum epileptischen Anfall und stürme ins Theater und Kino. Da aber niemand eine so gute Meinung hat wie ich, entschied ich mich für einen Blog.
Es erwarten euch in unregelmäßigen Abständen Reviews zu allen erdenklichen Werken, vom Roman bis zum neuesten Britney Spears-Album. Die meisten meiner nachlässig geschriebenen Texte werden sich jedoch um Filme drehen, da diese zu sehen am wenigsten Zeit veranschlagen.

Ich hoffe, dass ihr Spaß an meinem Blog haben werdet und freue mich immer, eure Meinung zu den besprochenen Themen zu hören. Denn wenn mich eines noch mehr fasziniert, als mein eigener Geschmack, dann ist es der von anderen!

Beste Grüße
Dridge